Tragen Sie sich mit dem Gedanken, eine neue ERP-Lösung in Ihrem Unternehmen einzuführen oder eine bestehende Lösung zu erweitern? Richtig ausgewählt und eingeführt, kann ein ERP-System entscheidende Wettbewerbsvorteile verschaffen. Aber auch das Gegenteil gilt: die falsche Herangehensweise, fehlende ganzheitliche Betrachtung und unprofessionelle Einführung haben nicht nur sehr hohe Kosten zur Folge, sie sind vor allem zeitaufwändig – Zeit, die den Wettbewerbern nutzt. Ein Vergleich der unterschiedlichen Anbieter ist mit viel Aufwand verbunden. Dieser Artikel ist ein Plädoyer für eine ganzheitliche Herangehensweise.


ERP-Systeme sind inzwischen fast flächendeckend in allen Unternehmen jedweder Größe im Einsatz. Im allereinfachsten Fall ist es ein Warenwirtschafts- und Buchhaltungssystem, mit dem Rechnungsbelege verarbeitet werden. Immer häufiger sind die Systeme komplexer und decken weiter gehende Prozesse im Unternehmen ab wie Lagerwirtschaft, Vertriebsaktivitäten, Kostenrechnung oder auch Personalabrechnung.

Leider gibt es keine Abwrackprämie für ERP-Systeme

Häufig sind ERP-Systeme seit der Euro-Einführung oder länger im Einsatz und längst am Ende Ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, zumal sich die Anforderungen ständig erweitern. Die Geschäftsführung benötigt immer mehr aussagekräftige Kennzahlen für die Unternehmenssteuerung, oder bisher nicht eingebundene Abteilungen benötigen zentrale Daten, z.B. Kundenkennzahlen im Vertrieb oder Lieferantenumsätze im Einkauf. Immer mehr gewinnt daher die so genannte „Business Intelligence“ (BI) im Unternehmen an Bedeutung.

Auch wenn in den vergangenen Jahren die Notwendigkeit erkannt wurde, in erweiterte ERP-Lösungen zu investieren, fehlten hierfür oftmals die Ressourcen, da viele Unternehmen auf Grund der guten Auftragslage mit dem Abarbeiten der Aufträge mehr als ausgelastet waren und kaum Zeit für strategische IT-Projekte hatten. Leider gibt es auch noch keine Abwrackprämie für ERP-Systeme. In den jetzigen Zeiten geringerer Auslastung haben mittelständische Unternehmen die Chance, sich für die nächste Wachstumsphase aufzustellen und sich durch die intelligente Einführung eines neuen, leistungsfähigen ERP-Systems nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Erste Schritte vor der Produktauswahl

Die Landschaft der ERP-Anbieter jedoch nicht übersichtlicher geworden, eben weil immer mehr Funktionalität in die einzelnen Produkte gepackt wird. Am Anfang steht daher nicht die Terminvereinbarung mit den Vertriebsmitarbeitern der jeweiligen Anbieter, sondern eine unternehmensinterne Erarbeitung der Zielsetzungen und Anforderungen für ein neues ERP-System. Hierzu eignen sich organisierte Workshops, in denen ein ganzheitlicher Blick auf das Unternehmen geworfen wird und Vertreter der Geschäftsführung, der IT-Abteilung und insbesondere auch der einzelnen Fachabteilungen einen Anforderungskatalog erarbeiten.

Gewünschte Vorteile und Verbesserungen artikulieren

Dieser Katalog sollte insbesondere auch klar die gewünschten Verbesserungen heraus stellen, da ein reiner Austausch eines Systems erst einmal zu keinerlei Wettbewerbsvorteilen führt und nur Geld kostet.  An zentraler Stelle stehen häufig die folgenden allgemeinen Erwartungen an ein neues ERP-System, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen:

  • Beschleunigte und integrierte Prozesse: Unternehmensdaten sollen schneller verfügbar sein, Daten automatisch übertragen werden, Mitarbeiter sollen weniger Zeit mit rein verwaltenden Tätigkeiten konfrontiert sein. Die für ihre Branche typischen Prozesse sollen möglichst flexible und ganzheitlich abgebildet werden können. Zusätzliche Prozesse sollen darüber hinaus auch eingepflegt werden können (Workflow-Design)
  • Einfachere Bedienung und Datenerfassung: Daten aus allen Unternehmensbereichen sollen nur einmal komfortabel erfasst und zentral vorgehalten werden, komplexe Prozesse in kleineren, überschaubaren Einheiten abgebildet werden.
  • Bessere Kundenbetreuung: Für Kontakte mit dem Kunden stehen alle wesentlichen Informationen auf Knopfdruck zur Verfügung. Letzte Bestellungen, letzte Kontakte, Ansprechpartner, ein vollständiges Protokoll aller Kundenaktivitäten inkl. etwaiger Beschwerden mit Status etc.
  • Kostensenkung: Durch Automatisierung und Eliminierung von Verwaltungstätigkeiten oder mehrfachen Datenerfassungen können signifikante Zeiteinsparungen realisiert werden. Durch Zugang zu aussagekräftigeren Informationen können zeit- und kostenaufwändige Prozessschritte besser identifiziert werden.

Hinsichtlich der Funktionalität werden die folgenden Wunschfunktionen am häufigsten genannt (Quelle: Mediaone, http://www.mediaone.biz)

  1. Stammdatenverwaltung
  2. Lagerwesen
  3. Materialplanung
  4. Auftragsverwaltung
  5. Angebotsbearbeitung
  6. Bestandsplanung
  7. Preisfindung
  8. Produktionsbedarfsplanung
  9. Kapazitätsplanung
  10. Auftragseinplanung
  11. Kundenauftragsverwaltung
  12. Chargenverwaltung
  13. Terminverwaltung
  14. Assemble-To-Order-Funktionen
  15. Auftragsführung
  16. Engineer-To-Order-Funktionen
  17. Fertigungssteuerung
  18. Projekt- und Terminüberwachung
  19. Verwaltung von Lieferantendatenaufträgen

Nicht alle Systeme decken jedoch alle diesen Funktionen ab. Wichtig ist die Identifizierung der für Ihr Unternehmen wichtigsten Funktionen im Abgleich mit der Leistungsfähigkeit der angebotenen Systeme. Hierbei sollten Sie auch strategische geplante Entwicklungen des Unternehmens berücksichtigen, um nicht in wenigen Jahren erneut an eine Leistungsgrenze des Systems zu stoßen.

Einführungs- und Folgekosten

Neben den rein inhaltlichen Anforderungen stehen natürlich die Einführungs- und Folgekosten (neudeutsch: Total Cost of Ownerhip) im Fokus. Wie sieht das Lizenz- und Preismodell des Anbieters aus? Mit welchen Kosten und Zeitaufwänden ist für die Einführung zu rechnen, auch unter Berücksichtigung der internen Kosten (Freistellung eigener Mitarbeiter für die Einführung). Wie sind meine Investitionen geschützt, wenn zukünftige Produktversionen verfügbar werden etc. Die Antworten auf diese Fragen fließen in die Gesamtbewertung mit ein.

Wer sind die Anbieter?

Sind die Anforderungen klar, geht es an die Analyse der Anbieter und Ihrer Systeme. Obwohl in Konzernen und dem großen Mittelstand stark verbreitet, ist SAP in kleineren mittelständischen Unternehmen oft nicht die erste Wahl und wird mit sehr hohen Kosten assoziiert. SAP bietet mit der Lösung Business One eine auch für den kleineren Mittelstand geeignete und finanzierbare SAP-Lösung an. Spätestens seit dem Zukauf von Navision ist auch Microsoft ein ernst zu nehmender Anbieter von mittelstandstauglicher ERP-Software. So bietet etwa Microsoft Dynamics NAV bereits für Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern praxistaugliche Lösungen.
Der ERP-Markt ist aber sehr viel größer und differenzierter und besteht längst nicht nur aus SAP und Microsoft. Oftmals gibt es sehr gute Standardsoftware für bestimmte Branchen. Sich hier eine gute und objektive Übersicht zu verschaffen ist nicht leicht.

Alle 2 Jahre veröffentlicht die Konradin Mediengruppe in Kooperation mit der COMPUTER ZEITUNG  eine umfassende ERP-Studie, die aktuelle Studie wurde zur diesjährigen CeBit im März 2009 vorgestellt. Entscheider, die sich mit dem Gedanken an eine Neueinführung eines ERP-Systems tragen, sei diese Studie ans Herz gelegt. Registrierte Benutzer können sie kostenlos herunterladen (http://www.computerzeitung.de/assets/downloads/studien/Konradin_ERP_Studie2009.pdf).
In dieser Studie werden ERP-Lösungen für deutsche Unternehmen untersucht, die sich für Betriebe aus den Branchen Prozessindustrie, Metallbe- und –verarbeitung, Maschinenbau, Fahrzeugbau und –zulieferindustrie, Elektrotechnik und Elektronik mit mindestens 50 Mitarbeitern eignen. In der Studie wurden näher untersucht:

  1. ABAS Software AG mit der abas-Business Software
  2. AP Automation + Productivity AG mit der Lösung APplus
  3. Infor mit ERP COM und ERP LN
  4. Microsoft mit Dynamics AX und Dynamics NAV
  5. Ordat mit FOSS
  6. Oxaion
  7. PSIPENTA mit PSIpenta
  8. proALPHA
  9. Sage bäurer
  10. SoftM mit Semiramis

Dies ist natürlich keine vollständige Liste, gibt aber einen guten Überblick über die wichtigsten Marktvertreter für mittelständische Unternehmen.

Erfolgsfaktoren für die Einführung
Auch wenn ERP-Softwäre häufig auch als „Standardsoftware“ bezeichnet wird, handelt es sich nicht um das Installieren einer CD/DVD, und schon geht’s los. Einführungen von ERP-Systemen sind komplexe Projekte, entsprechend gibt es wichtige Erfolgsfaktoren:

  • Die unternehmerische und organisatorische Sicht hat Vorrang! Die technische Lösung folgt der organisatorischen, nicht umgekehrt.
  • Machen Sie eine – wenn auch qualitative – Return on Investment-Betrachtung! Was sind die erwarteten Wettbewerbsvorteile, Kostensenkungen?
  • Seien Sie nicht zu ungeduldig! Wägen Sie schnelle Ergebnisse und die ganzheitliche Sicht auf das Projekt ab. Legen Sie ggf. Module oder Teile fest, die sukzessive in Betrieb gehen können.
  • Legen Sie größten Wert auf Ihre Bestandsdaten! Diese sind nur sinnvoll in ein Gesamtsystem zu integrieren, wenn Sie in sich konsistent sind. Berücksichtigen Sie einen ausreichenden Zeitraum, um die Konsistenz der Daten bereits im Vorfeld herzustellen.
  • Stellen Sie das richtige Team zusammen! Ein ERP-System ist ein zentrales IT-Nervensystem für das Unternehmen, dass alle Abteilungen betrifft. Bestimmen Sie die fähigsten Mitarbeiter aus den Abteilungen und der IT als Anprechpartner. Entscheiden Sie sich für einen durchsetzungsfähigen Projektleiter. Wenn es sich um einen externen Projektleiter handelt, statten Sie ihn mit dem nötigen Mandat und den nötigen Ressourcen/Befugnissen aus.
    Im Übrigen gilt, was für alle erfolgreichen Projekte gilt: Ein Team mit den nötigen Kompetenzen, Professionalität, wechselseitigem Respekt, einem klaren, gemeinsamen Ziel und den nötigen Ressourcen ist der Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung.
  • Nach der Einführung ist vor der Einführung! Mit der Einführung und den ersten Erfolgen werden Wünsche und weitere Anforderungen kommen. Planen Sie dies ein, indem Sie mit dem Start einen ständigen Verbesserungs- und Erweiterungsprozess einleiten. Bei diesem sollten weiteren Wünschen und Anforderungen immer der Unternehmensnutzen gegenüber gestellt werden, und Erweiterungen sollten gemäß diesem Zusatznutzen priorisiert werden.

Weiter führende Links

http://www.computerwoche.de/knowledge_center/enterprise_resource_planning/576955/

http://www.computerzeitung.de/assets/downloads/studien/Konradin_ERP_Studie2009.pdf

 

Locatech IT Solutions GmbH

Die Locatech IT Solutions GmbH, Dortmund, unterstützt die Vereinfachung & Automatisierung von Verwaltungs- und Informationsprozessen in mittelständischen Unternehmen in kompakten, praxisnahen und ergebnisorientierten IT-Projekten. Dies umfasst Analyse & Planung von Informationsprozessen, Umsetzung, Workshops und Einführungsschulungen sowie Dokumentation. Informationen finden Sie unter https://www.locatech.com.